Im November 2024 wurden zwei neue randomisierte Studien publiziert, die untersuchten, ob Vorhofflimmer-Screening mit einem EKG wirksam ist. Beide zeigten keinen relevanten Benefit. Dennoch wird es von den neuen ESC Leitlinien empfohlen. Warum? Hier mehr Infos dazu.
Neue Studie 1: GUARD-AF
- Probanden: 12.000 Primärversorgungs-Patienten (Durchschnittsalter 75) in den USA
- Intervention: Screening mit einem Holter-EKG für 2 Wochen vs. normale Versorgung
- Ergebnis: in der Screening-Gruppe wurde VHFA zwar häufiger diagnostiziert und orale Antikoagulation häufiger eingeleitet, Schlaganfälle wurden dadurch jedoch keine vermieden:
Neue Studie 2: STROKESTOP-II
- Probanden: alle (!) 75 und 76 Jährigen Einwohner Stockholms wurden randomisiert (29.000 Personen)
- Intervention: NT-proBNP Abnahme + 1 EKG bei BNP unter 125 ng/L (bei 40% der Personen) oder täglich 4 EKG für 2 Wochen bei höherem BNP (bei 60%) vs. normale Versorgung
- Ergebnis: nach 5 Jahren waren Schlaganfälle und Thrombembolien trotz Screening gleich häufig (HR 0.96, 95% CI 0.86-1.06); limitierend war, dass nur 49% der Eingeladenen am Screening teilnehmen
Was empfiehlt die neue 2024 ESC Guideline?
- Routinemäßige Herzrhythmus-Assessments bei allen Arztbesuchen von Patienten ab 65 Jahren (Class I, Level C)
- Holter-EKG bei allen Patienten ab 75 Jahren und bei allen ab 65 Jahren mit einem zusätzlichen CHA2DS2-VA Risikofaktor (Class IIa, Level B)
Das überrascht, da selbst im Text derselben ESC Guideline steht, dass “es an ausreichend großen RCTs zur Rate ischämischer Schlaganfälle bei Patienten nach Vorhofflimmer-Screening mangelt“ und dass „es unklar ist … welche Patienten von einem Screening am meisten profitieren könnten“.
Wie unabhängig ist diese ESC Guideline?
Die deutsche Initiative „Leitlinienwatch.de“ bewertet medizinische Behandlungsleitlinien auf ihre Unabhängigkeit von der Pharmaindustrie. Bis zu 18 Punkte bekommt man für Maßnahmen, die den Einfluss von Interessenkonflikten reduzieren. Die aktuelle ESC Guideline erhielt von Leitlinienwatch nur 3 von 18 Punkte. Abzüge gab es u.a. dafür, dass 90% der Leitlinienkommission durchschnittlich 4 Interessenkonflikte angab, die beiden leitenden Autoren gaben zusammengezählt 14 Interessenkonflikte an.
Auch wenn man inhaltlich anderer Meinung ist, ESC Leitlinien sind einflussreich… Die ältere 2020 ESC Leitlinie zum Vorhofflimmern wurde bisher über 10.000 Mal zitiert und über 2 Millionen Mal gelesen.
Was empfehlen andere Guidelines?
- ACC/AHA/ACCP/HRS Guideline (2023): “Es ist noch nicht nachgewiesen, dass Patienten mit einem hohen Risiko, Vorhofflimmern zu entwickeln, basierend auf einem validierten Risikoscore, vom Screening profitieren würden.“
- USPSTF Update (2022): “Die USPSTF kommt zu dem Schluss, dass die derzeitige Evidenz nicht ausreicht, um das Nutzen-Schaden-Verhältnis eines Vorhofflimmer-Screenings zu bewerten.“
- UK National Screening Committee (2019): “Ein Screening wird derzeit für diese Erkrankung nicht”
- Zwar keine Leitlinie, aber dennoch relevant: Das Arznei-Telegramm kam 2021, 2023 und 2024 jeweils zum Ergebnis, dass bei asymptomatischen Personen ein Vorhofflimmer-Screening nicht sinnvoll ist.
Conclusio:
- Die meisten Leitlinien empfehlen bei asymptomatischen, älteren Patienten kein Vorhofflimmer-Screening.
- Auch zwei neue Studien zeigen dafür keinen relevanten Benefit.
- Die neue 2024 ESC Guideline sieht das anders und empfiehlt Vorhofflimmer-Screenings bei sehr großen Patientengruppen.
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