Manche Medien berichteten begeistert davon, dass am 14. November Lecanemab für die Therapie von Alzheimer von der EMA zugelassen wurde. Die tatsächlichen Daten finde ich jedoch wenig begeisternd… Hier ein Einblick.
Was ist Lecanemab?
Ein monoklonaler Antikörper der lösliche Aβ Protofibrillen bindet und die Ablagerung von Beta-Amyloid reduziert. Verabreicht als Infusion alle 2 Wochen für 18 Monate. Ab Mitte 2025 könnte es bereits in Österreich und Deutschland verfügbar sein.
Wie wirksam ist Lecanemab?
Die Phase 3 Studie (November 2022) bei 1.795 Patienten mit mildem Alzheimer zeigte nach 18 Monaten eine geringere Verschlechterung der kognitiven und funktionalen Demenz-Symptomatik:
Der Unterschied von 0,45 Punkten ist sehr gering. Positiver ausgedrückt wurde die Verschlechterung der Symptomatik um 45% reduziert (+1,21 statt +1,66 CDR-SB Punkte). Für Patienten ist jedoch der absolute Unterschied relevant.
Zumindest die Verbesserung der Amyloid-Ablagerungen im PET war deutlich. Hier zeigte sich eine Reduktion von 55% statt einer Steigerung von 4%.
Ist diese Wirkung „klinisch relevant“?
Das hängt davon ab, wie man „klinisch relevant“ definiert. Ein aktueller Review hat Grenzwerte von klinisch relevanten Therapieeffekten in Alzheimer-Studien erhoben:
- „Mild Cognitive Impairment“ (MCI-AD): Verbesserungen ab 1 Punkt (CDR-SB) wären klinisch relevant
- „Mild Alzheimer’s Disease“ (mild AD): Verbesserungen ab 2 Punkten (CDR-SB) wären klinisch relevant
- Eine retrospektive Analyse von 20.000 Patienten zeigte, dass Ärzte durchschnittlich ab einer Verbesserung von 0,98 Punkten (bei MCI-AD) bzw. 1,63 Punkten (bei mild AD) eine klinische Verbesserung wahrnehmen
In der oben erwähnten Studie wurden Patienten mit „mild cognitive impairment or mild dementia due to Alzheimer“ eingeschlossen. Durchschnittlich hatten sie 3,2 Punkte (CDR-SB) zu Studienbeginn. Der festgestellte Unterschied von 0,45 Punkten ist, laut diesen Grenzwerten, klinisch nicht relevant. Und zwar deutlich…
Was nur im Appendix der Studie zu lesen ist…
…dass die Wirkung bei Frauen deutlich geringer war als bei Männern. Die Verlangsamung der Verschlechterung bezüglich Aktivitäten des täglichen Lebens (ADCS-MCI-ADL) war 54% bei Männern und 19% bei Frauen; bezüglich zusammengesetztem Score (ADCOMS) waren es 38% bei Männern und 10% bei Frauen. Das sollte breiter diskutiert werden…
Warum wurde Lecanemab von der EMA zuerst abgelehnt und dann zugelassen?
Auch aufgrund von Nebenwirkungen. Todesfälle traten unter Lecanemab nicht häufiger auf. Schwere Nebenwirkungen traten unter Lecanemab häufiger auf als unter Placebo (14,0% vs. 11,3%). Abnorme Bildgebungen (ARIA) mit Hirnödem und Hirnblutungen traten deutlich häufiger auf (siehe Grafik; aber nur 22% der in der Bildgebung festgestellten Hirnödeme waren symptomatisch). Da homozygote ApoE4 Genkopien (etwa 15% der Patienten) als Risikofaktor identifiziert wurde, erfolgte die EMA Zulassung erst nach Ausschluss dieser Patientengruppe:
Im Juli 2024 traf die EMA noch die Entscheidung, dass der Nutzen die Nebenwirkungen („blau“) nicht übertrifft. Im November traf EMA die Entscheidung, dass nach Ausschluss von Patienten mit homozygotem ApoE4, der Nutzen die Nebenwirkungen („orange“) übertrifft. Nicht überall wurde so entschieden. In Australien wurde Lecanemab abgelehnt, da die Wirksamkeit zu klein sei, um die Risiken zu überwiegen.
Wie teuer ist die Therapie?
Sehr teuer:
- In den USA liegen die Kosten aktuell bei 26.500$/Jahr
- In den USA kommen noch 56.000$/Jahr u.a. für Gentests und MRTs hinzu
- In der EU könnten 5,4 Millionen Personen die Therapie erhalten; bei amerikanischen Preisen wären das 133 Milliarden Euro pro Jahr (!)
Das sind hohe Kosten für ein Medikament mit nur unklarem Wirkung-Nebenwirkung-Verhältnis. Eine Studie ergab, dass Lecanemab bei milder Demenz nur in manchen Szenarien kosteneffektiv wäre, wenn es unter 5.100$ pro Jahr kosten würde.
Conclusio:
- Die Wirksamkeit ist gering (0,45 Punkte auf einer Skala von 0-18; CDR-SB).
- Diese Wirksamkeit ist geringer als die postulierten Grenzwerte von 1 bzw. 2 Punkte für „klinische Relevanz“.
- Diese Wirksamkeit ist bei Frauen noch deutlich geringer als bei Männern.
- Die Nebenwirkungen (u.a. Hirnödeme und Hirnblutungen) sind auch nach Ausschluss von Patienten mit homozygoten ApoE4 noch häufig.
- Die Studie ging nur über 18 Monate. Langfristige Wirkungen und Nebenwirkungen sind noch nicht bekannt.
- Die Kosten sind hoch, in den USA über 80.000$ pro Jahr.
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